Eine Autoreise durch Eurasien

  • Nach längerer Abstinenz (im Forum aber vor allem im Gebrauch meines Jimny Autos) melde ich mich nun zurück und berichte von meiner Überstellungsfahrt nach Duschanbe, wo ich das Auto nun wieder unter Bedingungen verwenden werde, für die es gebaut ist.
    Diesmal fuhr ich mit meinen regulären Kennzeichen, was den Grenzübertritt im Transit einfacher macht, weil ich sozusagen als Auto Tourist unterwegs war. Das gab es für Ausländer übrigens schon in der Sowjetunion und in Österreich buchbar (damals OeSG).
    Da mein Jimny in Tirol überwinterte



    brachte ich ihn zuerst nach Wien und am nächsten Tag ging die Reise los.



    Ich entschied mich über die Slowakei zu fahren, weil die Grenzwartezeiten nach UA kürzer und die Fahrt landschaftlich wesentlich schöner, als über Ungarn ist. Wir fuhren über Neutra und Neusohl auf neuer, bestens ausgebauter Autobahn und dann landschaftlich sehr schön über die niedere Tatra nach Rosenberg zurück auf eine andere Autobahn, die bis nach Preschau führt. In Donovaly machten wir Pause, man kann ab dort bis auf 2000m wandern und im Winter Skifahren.



    Wir fuhren dann weiter über Grossmichl zum Grenzübergang nach Ungvár,





    In den ukrainischen Karpaten übernachteten wir und fuhren dann am nächsten Tag über Lemberg nach Kiew. Die Straße die vor 6 Jahren erneuert wurde, ist durch den LKW Verkehr in Mitleidenschaft gezogen, dafür ist ab Lemberg die Schnellstraße nun endlich fertig und in derzeit gutem Zustand.



    Verkehr gibt es nicht übermäßig viel und auch der Stau bei der Einfahrt nach Kiew hielt sich in Grenzen. Dort übernachteten wir im Hotel Ukraina, das sich im Herzen Kiews befindet und während der gewalttätigen anti Regierungsproteste das Quartier einer Oppositionsgruppe war und von wo aus auch auf Demonstrierende geschossen wurde, die Umstände sind bis heute nicht geklärt, außer dass es nicht das damalige Regierungslager war.




    Am Maidan erinnert nichts mehr an den Staatstreich von 2014, die neuen Machthaber wollten schließlich die Zelte und Überbleibsel der Proteste entfernt wissen und wieder Normalität einkehren lassen.



    Nach einem guten Bier am Abend fuhren wir Morgens weiter, aber viel später als geplant. Über Sumy gelangten wir zur ukrainisch-russischen Grenze bei Sudža. Die Straße war ab Kiew ziemlich schlecht, auch der Grenzübergang in ziemlich desolatem Zustand und das Personal vollkommen demoralisiert. Ein Grenzer klagte, dass sein Lohn von ca. EUR 100 zum Leben nicht ausreiche und er seine Eltern um Geld bitten muss. Von mir wollte ein Geschenk, und ich gab ihm dann Orangensaft, den er in einem Satz austrank, es war ziemlich heiß an diesem Tag. Autos fahren wenige über die Grenze und nach kurzer, schleissiger Kontrolle waren wir am russischen Grenzübergang, wo alles neu, ordentlich und genau war. Der Zöllner war recht lustig und scherzte mit uns, das Zollformular musste ich ganz genau und in schöner Schrift ausfüllen, nach dem dritten Versuch Stempel drauf und fertig, dann noch die obligatorische Frage nach Waffen und Rauschgift, aber ein genauer Blick in den Wagen reichte, auspacken musste wir nichts. Dann wollte ich eine Haftpflichtversicherung kaufen. Früher gab es das problemlos an der Grenze, aber diesmal meinte die herbeitelefonierte Versicherungsmaklerin, dass sie das nicht mehr verkaufen würde, weil die Grüne Karte mit RU ja auch in Österreich verkauft würde (nur ist das viel teurer und deshalb wollte ich eine Polizze in Russland kaufen). Also nichts… Auf bester Straße (ohne Verkehr ;) dann nach Kursk, wo wir in einem sehr netten Hotel, mit bestens ausgebildeten Rezeptionistinnen abstiegen. Die Preise in Russland sind nach der Rubel Abwertung nun wieder normal und angemessen. Im Gegensatz zur Ukraine gibt es in Russland in den meisten Hotels aber internationalen Standard und alles ist gut organisiert.



    Der Donnerstag brachte nach der Hitze (bis 35 Grad in der Ukraine) endlich Abkühlung und etwas Regen.







    Über Vorenež kamen wir nach Saratow (wo früher viele Wolga Deutsche lebten), überquerten den Fluss und schafften es dann noch bis zu einem einfachen Motel nahe der russisch kasachischen Grenze.





    Am nächsten Tag dann wieder Grenze, aber keine Zollkontrolle mehr, die eurasische Zollunion funktioniert so wie früher die EG.
    Und Abschied von Russland





    In Orzinki ging‘s auf beiden Seiten recht schnell,







    nach weniger als einer Stunde kämpften wir uns dann auf miserabler Straße nach Uralks.



    Die Stadt ist russisch geprägt und liegt an der Grenze von Europa zu Asien.




  • Nach Überquerung des Ural Flusses fuhren wir dann noch nach Aktubinsk, wo wir übernachteten Ab Uralks bis zur kirgisischen Grenze war die Straße, die Magistrale M39 wieder bestens ausgebaut. Als ich sie zum letzten Mal 2012 fuhr war sie noch nicht einmal halb fertig und ziemlich mühsam. (Heute kaum noch ,)


    Damals gab es auf 500km keine Tankstellen und z.T. Wellblechpiste.


    Die Route führt durch die Steppe, eigentlich fast Wüste, wo es im Winter minus 35 und im Sommer über 40 Grad hat, lebensfeindlich, und die M39 hatte einen sehr schlechten Ruf.









    Nun ist aber alles fertig und bestens ausgebaut. Zu Zeiten der UdSSR war die Straße aber schon durchgehend asphaltiert, aber Schwerverkehr gab es keinen, weil Güter wurden auf der neben der Straße führenden Eisenbahn transportiert und Menschen flogen mit dem Flugzeug. Die Flüge waren damals sehr billig und das Netz gut ausgebaut, jde kleinere Stadt wurde angeflogen. In den 1990er Jahren verfiel die Straße dann vollkommen und wurde erst in den letzten 5 Jahren renoviert. Verkehr gibt es aber auch heute zwischen Aktubinsk und Kyzyl Ordo kaum.





    Von Aktubinsk brachte uns die erste Etappe nach Aralsk, früher mit Hafen am gleichnamigen See, der in den letzten 20 Jahren in mehrere kleinere Gewässer zerfiel und größten Teils austrocknete.



    Bis in die 1970er war der salzhaltige See, der in Kasachstan und Usbekistan liegt, das viertgrößte Binnengewässer der Welt. Heute ist der Aralsee und Aralsk eine ziemlich heruntergekommene, deprimierende Gegend.





    Wir aßen dort und fuhren dann ins Gelände, wo früher See war. Jetzt sind dort nur mehr ausgetrocknete Salztümpel.


















    Dann ging es weiter nach Kyzyl Ordo.

  • Wir fuhren durch Baikonur (Fotos von letzter Reise, weil es schon dunkel war), von wo zur Zeit der UdSSR alle Raumflüge durchgeführt wurden. Die russische Föderation hat nun die Basis von Kasachstan gepachtet, verfügt inzwischen aber über ein eigenes Kosmodrom in Sibirien, und Baikonur verlor deshalb an Bedeutung.





    Nach einer Nacht in Kyzul Ordo





    begann es auf der Strasse nun etwas belebter zu werden,









    und wir machten halt in Türkistan, der einzigen historischen Stadt in Kasachstan (die aber auf die Usbeken zurückgeht). Das Mausoleum von Khoja Ahmed Yasawi wurde im Auftrag des Herrschers Timur Lenk im 14 Jhd. erbaut und ist seit 2003 Teil des Weltkulturerbes der UNESCO. Timur ließ auch das bekannte Samarkand in Usbekistan zu seiner Hauptstadt erbauen.





    Von Türkistan fuhren wir dann weiter nach Taras, um vorher Shymkent auf neuerbauter Umfahrung südlich liegen zu lassen. Shymkent ist nach Almaty die größte Stadt im Süden Kasachstan, vermittelt aber im Gegensatz zu Almaty etwas orientalisches und kasachisches Flair.







    Südlich von Taras befindet sich der Grenzübergang nach Kirgisien, den wir dank Zollunion schnell überquerten.










    Nachdem es schon dunkel war, fuhren wir nur mehr nach Talals und fanden dort ein Zimmer für die Nacht.





    Ursprünglich wollte ich über Usbekistan fahren, was mehr als 1000km kürzer ist, habe dann aber den Visumsantrag zu spät gestellt. Die Strecke über Kirgisien ist dafür landschaftlich großartig und führt über zwei 3000m Pässe.





    Nach dem 3326 hohen Ötmök Pass, wo Anfang September schon Schnee lag, ging es dann schnell weiter zum nächsten Pass, Ala Bel, immerhin auch 3175m hoch.







    Im Čičkal Tal nach dem Pass kauften wir Berghonig und nahmen ein zweites Frühstück. Am Toktogul Stausee aßen wir dann frischgefangenen Fisch.






    Der Die Toktogul-Talsperre ist der größte einer Kette am Narynfluss und dient neben der Stromerzeugung auch der Wasserspeicherung für die Bewässerung des Fergana Tales im Sommer. Das Absperrbauwerk ist eine 215 Meter hohe Gewichtsstaumauer aus Beton. Der Stausee ist 65 km lang. Mit der installierten Leistung von 1200 MW werden jährlich rund 4100 GWh Elektrizität erzeugt. Im Vergleich dazu liefert die Malta Hauptstufe als stärkstes Kraftwerk in Österreich 730 MW, der Lac des Dix Stausee in der Schweiz hat ein Regelarbeitsvermögen von insgesamt 2 MW (auf meherere Kraftwerke verteilt), aber das derzeit stärkste Kraftwerk in Tadschikistan, Nurek, hat eine installierte Leistung von 3 MW.



  • Bevor der Naryn Fluss ins Fergana Tal strömt, fließt er aufgestaut durch eine Schlucht und von der Straße gibt es auf 50km immer wieder dramatische Tiefblicke.





    Leider muss aufgrund der Grenzsperre Usbekistan in einem U umfahren werden, und man brauch nach Osch 2 Stunden mehr als zur Zei der UdSSR.





    In Osch fuhren wir nach kurzer Pause nach Nookat weiter, wo wir Abendessen hielten. An diesem Abend wollten wir noch unbedingt nach Tadschikistan kommen und so ging es nach Kyzyl Kia (auf neu gebauter, EU finanzierter Umfahrungsstraße - früher ging es auch hier durch Usbekistan) flott nach Batken und zur Grenze.



    Um 22 Uhr überquerten wir die Grenze, die Tadschiken hatten einige Fragen, aber nach einer Stunde und Bezahlung einer Straßenbenutzungsgebühr sowie fiktiver, aber kostenpflichtiger veterinärmedizinischer Desinfizierung des Autos ging es in der Dunkelheit weiter nach Isfara. Ich wollte aber nicht mehr übernachten sondern die Nacht durchfahren. Erholung war dann für Duschanbe angesagt.
    Schließlich war ich dann so müde und wir schliefen ein paar Stunden im Auto, sodass wir bei Tageslicht auf den Anzobpass zufuhren.



    Der Nord- und Südteil Tadschikistan ist nur über einer Gebirgsstraße verbunden (früher ging es über Usbekistan), deren höchste Pässe durch 2 relative lange Straßentunnels entschärft wurden. Da der Istikol Tunnel (immerhin 5km lang und auf 2700m Höhe) wegen Renovierung gesperrt war, mussten wir die Route über den Anzob Pass nehmen und uns auf schlechter Straße bis auf 3372m hinauf schlängeln. Die schöne Landschaft und der Blick auf die umliegenden vergletscherten 4800er Berge und eine Mineralwasserquelle kurz unterhalb der Passhöhe,



    wo es auch eine Wetterstation gibt,



    entschädigt für die Mühe.











    Ähnlich wie bei der Arlbergtunnelrenovierung war der Pass für LKWs gesperrt, diese mussten in der Nacht zwischen 0 und 6 Uhr durch den Tunnel fahren.
    Nun war es nicht mehr weit nach Duschanbe und die Straße (von Kuhjand, mautpflichtig) ist gut ausgebaut. Nach 7 (8)Tagen Reise und 73342km kamen wir wohlbehalten in Duschanbe an.



    Inzwischen ist das Auto hier angemeldet und wird nun wieder fleißig für Ausflüge genützt. Dienstlich habe ich einen Nissan Patrol Saugdiesel, einen Riesenauto im Vergleich zum Jimny, aber auch sehr geländegängig mit viel Fahrspaß.



    In Zukunft werde ich mehr aus Tadschikistan posten, ein Land das landschaftlich spektakulär ist und großes touristisches Potential hat.

  • Hammer.... der Osten ist so unbekannt, aber wäre auch eine Überlegung wert. Toller Bericht und schöne Bilder. Vielen Dank fürs Teilen.

    Alle sagten: "Das geht nicht." Da kam einer, der das nicht wusste und machte es einfach...

  • ...Und dann soll einer sagen der Jimny ist nicht reisetauglich !:up:
    Ein toller Bericht mit klasse Bilder aus einer fast unbekannten Ecke der Welt!

  • Äußerst interessant :up:
    So eine ähnliche Route steht bei mir auch auf dem Wunschzettel für die nächsten Jahre. Allerdings nicht mit dem Jimny sondern wieder irgendeinem alten Kombi. Mich würde interessieren wie die Verständigung vor Ort klappt. Sprichst du Russisch? Ich kann leider nur Englisch und Spanisch was beides in Asien ziemlich nutzlos ist :|

  • Wurde ja schon alles gesagt, trotzdem nochmal:
    Was für ein schöner, beeindruckender Reisebericht !
    Und das nicht etwa mit einem WoMo, sondern mit dem Jimny, Respekt !
    L.G.
    Jebo

    Ich bin über 50 - immer noch schlank und top fit, die Kinder sind aus dem Haus....
    Und ab jetzt mache ich all die Sachen die ich schon immer mal machen wollte !!!
    Eine Sache davon ist: einen Jimny fahren. [o]IIIII[o] :fahren:

  • Servus,
    ich schließe mich mal meinen Vorrednern an.
    Sehr schön geschrieben und mit viel Hintergrundwissen bestückt.


    Gruß Lars

    Gemüse schmeckt am besten wenn man es kurz vor dem servieren durch Rindfleisch ersetzt.


    Suzuki Fahrer - anders als alle Anderen

  • Ich habe den Bericht mit großem Interesse gelesen. Vielen Dank!


    Grüße Jan

    Leben heißt, schränk dich ein, damit du wirklich frei bist!


    Jimny Style, EZ 04/2016