Nach einer Weile aktiver Forenabstinenz (passiv bin ich eh immer dabei, hab nur wenig zu sagen) möchte ich jetzt die Jimny-Kollegen mit einem Thema konfrontieren, das mich nun schon gut ein Jahr beschäftigt.
Vor dem Jimny hatte ich als 4x4 einen Nissan Pickup, der mir 15 Jahre lang treu gedient hat. Sein größtes Manko - der lange Radstand. Gerade hier auf Sardinien, wo alles, inklusive Bewohner, ein bisschen kleiner ist als in Mitteleuropa, sind auch die Unebenheiten auf den Pisten und erst recht im Gelände wesentlich kurzwelliger, was regelmäßig dazu geführt hat, dass der Pickup schlicht und ergreifend aufgesessen ist. Damals habe ich die Seilwinde (eine warn 8000) als unverzichtbar kennengelernt.
Kein Wunder also, dass auch unser Jimny eine bekommen sollte. Voriges Jahr habe ich dann in Abstimmung mit meinem 4x4-Mechaniker, der alle meine Autos offroadtauglich gemacht hatte, eine 2,3T Winde bestellt und, weil der österr. TÜV das entsprechende Gutachten haben will/wollte, auch den fahrzeugspezifischen Anbausatz. Kostenpunkt zusammen, ohne Einbau, runde 1300 €. Diese "Krot" war ich bereit zu schlucken.
Und dann das große Aha-Erlebnis: Der Prüfer teilte meinem Mech mit, dass er - weil nun die Vorschriften rigoser gehandhabt würden - auf jeden Fall auch die zulässigen Achslasten kontrollieren würde. Naja, die maximal 40 zusätzlichen Kilo sollten kein Problem sein, dachte ich, trotzdem fuhren wir an dem Tag, der für den Einbau vorgesehen war, vorher noch mit dem Jimny zu einer geeichten Brückenwaage und stellten ihn mit den Vorderrädern auf die Wiegefläche. Ergebnis: Unbeladen und ohne Fahrer/Passagiere war die Achslast gerade mal ca 20 Kilo unter dem (im Typen- und im Zulassungsschein eingetragenen!) höchstzulässigen Wert! Wäre ich beim Wiegen im Auto gesessen, wäre dieser Wert bereits definitiv überschritten worden. Die Alternativen, den Reservereifen statt mit Luft mit Wasser zu füllen (hängt ja hinter der Hinterachse und würde als Hebel die Vorderachse entlasten) oder einen "kulanteren" Prüfer zu suchen, taugten mir nicht; ich habe die praxisferne Eigenheit, Vorschriften, so unsinnig sie auch sein mögen, einhalten zu wollen, vor allem, wenn ich mit dem Fahrzeug dann viel im Ausland (Sardinien) unterwegs bin.
Also Projekt Seilwinde ade .
Zu diesem Vorfall geht mir folgendes durch den Kopf: Ich fahre einen seriennahen Jimny, fabriksneu gekauft, bloß die "Standard-Modifikationen" durchgeführt, wie 215x75x15 MT-Reifen, 2" Höherlegung plus 2" Bodylift, Eigenbau-Rockslider (ca 7kg pro Seite), sonst nichts, was Gewicht/Achslast so in die Höhe getrieben haben könnte. Demzufolge lieferte Suzuki 2016 also Jimnys so aus, dass allein das Gewicht von Fahrer und Beifahrer die zugelassene Achslast vorn über das Limit anhebt. Offenbar wurde seit der Typengenehmigung so viel an der serienmäßigen Konstruktion verändert, dass das vor vielen Jahren genehmigte Limit erreicht oder überschritten wird. Z.B. die Klimaanlage, Fußgängerschutz und ähnliches.
Wenn dem so ist, bedeutet das aber auch, dass vermutlich die meisten FJ mit Seilwinde oder anderen gewichtigen An-/Umbauten eigentlich illegal (Betriebserlaubnis bei überschrittener Achslast?) unterwegs sind. Würde mich sehr interessieren, wie Ihr das seht, bzw ob jemand sein Auto in Bezug auf Achslast überprüft hat.
ABER JETZT ZU MEINER LÖSUNG DIESES PROBLEMS
Da ich andererseits absolut keine Lust habe, alle Änderungen rückgängig zu machen, um meinen Jimny wieder in den Auslieferungszustand zu versetzen und so die Achslasten verbindlich nachwiegen zu können (mit gegebenenfalls der Möglichkeit, an Suzuki zu regressieren), ich letztlich aber auch nicht auf die Sicherheit einer winch verzichten möchte, habe ich eine andere Lösung ausgetüftelt und nun (dank Corona-Mobilitätsbeschränkung) auch realisiert. Ich habe eine "normale" 2,3T- Winde mittels einer Eigenkonstruktion zu einer mobilen Seilwinde umfunktioniert, die nicht fix eingebaut ist, sondern nur bei Bedarf im Kofferraum mitfährt und somit nicht eintragungspflichtig ist.
Dazu habe ich als ersten Schritt die vorderen (und eine hintere) Schleppösen verstärkt und im Rahmen verankert. Das geht ohne Bohren oder Schweißen am Fahrzeug, eine entsprechend zugeschnittene/geformte 8mm-Stahplatte mit einem passenden angeschweißten Rohrstück leitet die Zugkraft an den Rahmen und das gleichmäßig an beiden Rahmenholmen. Eine ebenfalls 8mm starken Gegenplatte klemmt die Verstärkung zusätzlich an die originale Schleppöse und verhindert deren Verbiegen oder Abreißen.
Auf der rechten Seite habe ich gleich die Gelegenheit genützt, den Lenkungsdämpfer mithilfe einer passenden Bohrung möglichst parallel zur Spurstange zu stellen.
Als dann die Winde endlich geliefert worden war, kam das Montagesystem a la peko dran: eine kleine Montageplatte inkl. Seilfenster war im Lieferumfang, ich habe eine weitere Platte zusammengebrutzelt, die es ermöglicht, die Rückseite der Winde mit dem Jimny zu verbinden. Dann fehlte eigentlich nur noch eine Art Gerüst oder Käfig, das einerseits die Winde selbst ein wenig vor unsanften Aufsetzern schützt und andererseits als Tragegriff fungiert. Leider verhinderten die coronösen Bewegungseinschränkungen auch, dass ich beim einzigen Metallhändler der Gegend einkaufen konnte, also musste ich mich mit "Restln" aus meinem Fundus begnügen. Daher lag das Hauptaugenmerk nicht auf Design und Ästhetik, sondern primär auf Funktionalität, ausreichender Sicherheit/Belastbarkeit und Robustheit. Ein 4cm breiter, 4m langer Bergegurt und ein paar Edelstahlschäkel vervollständigten den mechanischen Teil des Systems.
Der Bergegurt wird einfach durch die beiden an der Winde befindlichen Schäkel gezogen und an den Bergeösen befestigt. Die Winde ist in einer Art Schlinge flexibel und kann genau in Zugrichtung ausgerichtet werden. Auf diese Weise verteilt sich der Zug gleichmäßig auf beide Rahmenholme, und das Seil wird nicht einseitig aufgespult (wie es bei einer eingebauten Winde bei schräger, seitlicher Zugrichtung der Fall ist)
Als Stromversorgung entschied ich mich für ein Kabel, das mit seinen 4m lang genug ist, um die Winde auch an den hinteren Schleppösen des Jimny - für eine sogenannte Arschlingsbergung - anhängen zu können. Bei dieser Länge schien mir ein Kabelquerschnitt von 70mm2 angebracht - ein Starthilfekabel (zwei getrennte Adern) für LKW bot mir genau diese Dimensionen, ist zwar schwer, aber weich-flexibel und - vor allem - wird nicht heiß. Die Elektronikbox (Schaltrelais) von der Größe zweier Zigarettenschachteln habe ich zwischen Scheibenwaschbehälter und linken Scheinwerfer oben an den Radkasten geschraubt und mit den beiliegenden Originalkabeln mit der Batterie verbunden. Mit zwei Flügelmuttern schraube ich die Ösen des Starthilfekabels im Bedarfsfall an die Kontaktschrauben des Relais, da brauch ich kein Werkzeug. Die Griffisolierung des Starthilfekabels schützt auch den Anschluss am Relais. Das einzige, was jetzt noch fehlt, ist eine Sicherung und ein Not-aus-Schalter (oder eine Kombi davon), beides kriege ich hier im Umkreis von 70km nicht in der benötigten 300-Ampere-Ausführung. Muss ich erst im Internet bestellen.
Der erste Probelauf im Gelände ist absolut zufriedenstellend verlaufen:
Sicher ist das handling insgesamt komplizerter, als bei einer eingebauten winch einfach aufs Knöpfchen zu drücken. Aber ich habe dieses System auch nur als "Rettung in der Not" konzipiert. Die Wahrscheinlichkeit, hier mit dem kurzen Jimny hängen zu bleiben, ist eher gering, und wenn's passiert, na, dann muss ich die 10 Minuten Mehrarbeit eben in Kauf nehmen. Hier habe ich es sowieso nie eilig, und Sardinien gilt von je her als Insel der Entschleunigung. Dafür habe ich einige hundert € an Anschaffungs-, Montage- und Eintragungskosten plus das Herumärgern mit §§reitenden Prüfern erspart und muss die Winde nicht mit herumführen, wenn ich sie - aller Voraussicht nach - bei einer Asphalt-Tour eh nicht brauche.
Vielleicht ist diese Schilderung eine Anregung für andere Jimnystas, die ähnlich denken.
Ciao,
peko
PS: ein kleines Video vom ersten Testlauf hab ich auch: https://youtu.be/lTL70cSCRn4