Offroad Weihnachtsgeschichte von @Norkdog Teil 2

  • Langsam tastete sich Jimmy in den Wald vor, schließlich wollte er kein Tier überfahren. Neben ihm knackte irgend etwas im Unterholz. Mit seinen Scheinwerfern leuchtete er in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Aber er konnte nichts erkennen. Ein Käuzchen ließ ein lautes „uuuhhhuuu“ durch den Wald schallen. Vor Schreck verschluckte Jimmy zu viel Diesel und sein Motor ging aus. Plötzlich war es still. So still, dass er den Rest des Diesels noch durch seine Leitungen rauschen hörte.


    Jimmy startete seinen Motor wieder und rollte über den Waldweg. Die Minuten schienen endlos zu sein. Wie lange war er schon im Wald? 10 Minuten? Es fühlte sich an wie zwei Stunden. Weder von Frank noch von Matt war etwas zu sehen. Gleich musste er an das Haus des Försters kommen. Etwas weiter vorne konnte er eine Abzweigung erkennen. Er schaltete die Strahler auf seinem Dach ein. Endlich hell, warum war ihm das nicht früher eingefallen. „Hmm. Nein, das ist nicht der Weg zum Förster. Bin ich irgendwo falsch abgebogen? Verdammt, ich darf mich auf keinen Fall hier verfahren. Oh, Frank. Wo bist du?“, klagte der kleine Suzuki.


    Er fuhr noch ein paar Meter bis rechts erneut ein Weg abzweigte. Neben dem Weg stand eine große Eiche, die ihm bekannt vorkam. Hier war er richtig. Vor Freude ließ Jimmy etwas unachtsam die Kupplung flitschen und machte einen Satz. Vielleicht trank Frank beim Förster ein Bier. Manchmal tat er das. Jimmy unterhielt sich dann meistens mit Hunter, dem Renegade des Försters. Obwohl der ihm mit seinen Angebereien mächtig auf die Bremsen ging. Schwarzfolierte Nase, Gewehrhalter und Neungang-Automatik. Wer braucht schon sowas. Egal, er musste Frank finden.


    Doch auch beim Förster war alles dunkel. Wieder kein Frank. „Mist“, dachte Jimmy. Sein Motor sackte immer tiefer in den Motorraum. Hunter schnarchte neben dem Haus. „Hey, Hunter. Wach auf.“ „Hunter.“ „HUNNNNNNTTTTTTTTERRRR“, rief Jimmy nun etwas lauter. Erschrocken fuhr der Renegade hoch und entzündete alle Lampen. „Was? Wer da? Geh weg oder ich schieße“, dröhnte Hunter verschlafen. „Hunter ich bin es! Jimmy!“ „Oh, dann kann ich ja weiterschlafen“, antwortete Hunter und war gerade wieder dabei seine Scheinwerfer auszuschalten. „Nein, nicht wieder einschlafen. Ich suche Frank. Hast du ihn vielleicht gesehen?“, fragte Jimmy. „Frank. Nö, den hab ich seit Tagen schon nicht gesehen.“ „Verflixt, wo kann er nur sein“, Jimmy überlegte angestrengt. „Frag doch mal Mathilda, die weiß doch immer alles“, riet ihm Hunter. „Mathilda? Ja, wenn jemand wusste, was mit Frank geschehen war, dann war es Mathilda. Ich fahr gleich mal hin“, murmelte der kleine Suzuki. Und schon war Jimmy wieder abgedüst. Das schläfrige „Tschööööööö….“ von Hunter bekam er schon nicht mehr mit.


    Jimmy eilte aus dem Wald. Angst und Vorsicht hatte er völlig vergessen. „Frank musste bei Mathildas Besitzerin Elisabeth sein. Sicher feiern die beiden zusammen Weihnachten.“ Jimmys Motorhaube verzog sich zu einem Lächeln, als er an Mathilda dachte. Auch seine Kolben klopften ein bisschen schneller. Mathilda hatte so einen hübschen britischen Akzent.


    Er war wieder auf der Straße und fuhr durch den kleinen Ort. Vor einer großen Schaufensterscheibe prüfte er noch einmal sein Äußeres. Meine Güte seine Türen und Kotflügel waren voller Matsch. Die Wege im Wald waren auch ziemlich schlammig gewesen. Aber das würde Mathilda sicher gefallen.


    Als er in die Straße einbog, sah er Mathilda schon von Weitem. Ihr matter Lack schimmerte grau im Licht der Straßenlaterne. Das elegante Fahrwerk und das vorstehende Dach standen ihr so gut. Er schnupperte noch einmal an seinen Auspuffgasen. Gut, dass Frank letztens noch diesen Ultimate Diesel getankt hatte. Langsam näherte er sich Mathilda. Sie stand vor dem Haus und sah fern. Die Nachbarn hatten sich zu Weihnachten wohl einen neuen 95-Zoll-Fernseher gekauft. Irgendein Rennen schien da zu laufen. Wie gern hätte er sich das mit Mathilda gemeinsam angesehen. Aber er war schließlich nicht zum Vergnügen hier.


    „Hallo Mathilda“, hüstelte Jimmy freundlich. „Hey Jimmy, schicker Matsch. Steht dir.“ Mathildas Scheinwerfer flackerten bewundernd auf. Ein Lächeln huschte über Jimmys Motorhaube. „Ich bin auf der Suche nach Frank. Hast du ihn gesehen?“ Mathilda riss die Scheinwerfer weit auf. Plötzlich wirkte ihre Lackierung viel weißer. „Oh, armer Jimmy. Weißt du es denn gar nicht?“, fragte die Ambulanz mit besorgter Stimme. Jimmy schwante Schreckliches. Seine Karosserie zitterte. „Ich war gestern auf einem Feuerwehrfest. Da waren auch einige Rettungswagen dabei. Sie erzählten mir, dass der Rettungsdienst Frank gestern ins Krankenhaus eingeliefert hat.“, flüstere Mathilda leise. „Nein, das kann nicht sein.“, schluchzte der kleine Suzuki. „Weißt du was passiert ist?“ „Nein, tut mir leid, Jimmy. Das durften sie mir nicht sagen“, antwortete Mathilda. Jimmy stieg wieder das Wischwasser in den Leitungen. Verdammt ausgerechnet vor Mathilda. „Gut, dann werde ich wohl mal besser zum Krankenhaus fahren. Danke, Mathilda“. „Viel Glück, Jimmy und lass die Stoßstange nicht hängen!“, rief Mathilda ihm nach.



    Angstvoll hatte sich Jimmy auf den Weg zum Krankenhaus gemacht. Immer wieder musste er das Wischwasser von der Scheibe wischen. Jimmy war so durcheinander, dass er sich mehrfach verschaltete. Angestrengt überlegte er, was Frank wohl passiert sein könnte. „War er gerade über rot gefahren? Verflixt.“ Auf einmal merkte er, wie sein linkes Hinterrad immer unruhiger wurde und ihm das Fahren weh tat. Jeder Meter machte es schlimmer. Er sah sich um. Sein Hinterrad verlor Luft. „So ein verdammter …“, fluchte Jimmy vor sich hin. Es waren noch gut zwei Kilometer bis zum Krankenhaus. Das Fahren strengte ihn immer mehr an. Und diese Schmerzen. Er wurde langsamer und langsamer. Gerade als der Schmerz kaum noch auszuhalten war, sah er hinter einer Kurve das Krankenhaus. Er schleppte sich mit letzter Kraft vor die große Drehtür. Aus seiner Kehle entfloh noch ein letztes leises „Möp“ und der Motor erstarb.



    Ein „Möp“ riss Frank aus seinen dunklen Gedanken. „Hab ich da ein Möp gehört?“, dachte Frank. „Komisch, das Geräusch hatte genau wie Jimmys Hupe geklungen. Jetzt hab ich schon Wahnvorstellungen. Das kommt sicher von den Schmerzmitteln.“ Er sah wieder auf sein Bein und ärgerte sich. Irgendwie wurde Frank unruhig. Und wenn es doch Jimmys Hupe gewesen war? Frank griff nach seinen Krücken und stand mühsam auf. Einbeinig und auf Krücken humpelte er durch die Drehtür. Eiskalte Dezemberluft umfing ihn. Was war das? „Jimmy!“, rief Frank erstaunt aus. „Mein Junge, was machst du denn hier?“ Schnell humpelte er zu seinem Freund. „Oh, nein. Du hast ja einen Platten. Und ganz voller Schlamm bist du auch. Was ist passiert?“


    Sanft streichelte Frank Jimmys Tür. Das schien Jimmys Lebensgeister wieder zu erwecken. Er trötete leise und dann etwas lauter. Man, was freute er sich Frank zu sehen. Und Frank ging es scheinbar gut, bis auf das Gipsbein natürlich. Erleichtert stob er eine blaue Wolke aus dem Auspuff und ein großer Klumpen Matsch fiel ihm von der Ölwanne. Dann sahen die beiden die Lichter eines Mercedes um die Ecke biegen. Es war das Taxi. Der Fahrer stieg aus, während das Taxi Jimmy nur mitleidig ansah. „Diese Mercedes sind doch alle gleich“, dachte Jimmy ärgerlich. Doch eigentlich wollte er sich gar nicht ärgern, denn endlich hatte er Frank wieder. Ein Grinsen streifte seine Motorhaube.


    „Hat hier jemand ein Taxi bestellt?“, fragte der Fahrer. „Ja, ich. Aber das brauche ich nicht mehr. Wenn Sie aber so freundlich sein könnten und mir beim Reifenwechsel zu helfen. Mit dem Gipsbein ist das echt schwierig“, bat Frank den Mann. Der Taxifahrer sah Frank etwas verwundert an, half ihm dann aber. Nach wenigen Minuten war Jimmy wieder flott gemacht und es ging ihm gleich besser. Seine Scheinwerfer strahlten. Frank grinste, als er sich auf den Fahrersitz fallen ließ. „Erst mal nach Hause und packen. Gipsbein hin oder her. Wir feiern Weihnachten in Fürstenau. Was hältst du davon Jimmy?“ Jimmy machte dreimal hintereinander ein lautes Möp und spielte mit dem Gas. „Dann auf nach Fürstenau!“ Jimmy beschleunigte und gemeinsam fuhren sie davon.




    Frohe Weihnacht wünscht Pedant :fahren: